Orden und Jugend im Lebensraum der Kirche
Wie können wir mit Jesus in unserer Kommunität leben?
Ist das nicht eine elitäre und übertriebene Frage? Würde es Jesus inmitten unserer Gemeinschaft aushalten? Würde er es nicht erst recht dort aushalten, wo wir uns als Sünder wissen? Er ging nicht zu den Symposien der Vollkommenen, sondern zu den Banketten der Sünder. Ich möchte auf ein paar Punkte hinweisen: Fraglos werden wir keinen, der schwach ist, und nicht uns selber, die wir schwach sind, abschreiben aus der Gemeinschaft. Wir müssen die besondere Nähe Jesu zu dem, der in Krise und Not ist, sicher in ganz elementarer Weise leben. Wer nicht Jesus im geringsten der Brüder erkennt, der erkennt ihn auch nicht in der Mitte der Brüder. Die Schwachen ertragen und ihnen Räume der Geduld geben! Trotzdem gibt es einem zu denken, wenn man einmal die Texte der Kirchenväter – das kann ich jetzt nicht ausbreiten – durchliest, die sich auf das seit dem Konzil von Chalcedon bis zum II. Vaticanum in keinem amtlichen Dokument mehr zitierte Wort Mt 18,20 „Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen“ beziehen. In der dazwischenliegenden Epoche finden wir dieses Wort noch in den Schriften einiger Heiliger, es spielt eine Rolle etwa bei Bonaventura oder bei Angela Merici. Unter den Kirchenvätern stellen indessen einige besondere Bedingungen dafür heraus, daß die Gegenwart Jesu nach Mt 18,20 eintreten kann. Damit hebt sich diese Gegenwart nach Mt 18,20 von jener allgemeinen Verheißung in Mt 28,20 ab, daß der Herr bei seiner Kirche bleiben wird bis zum Ende der Tage. Es gibt also eine Gegenwart Jesu, die über jene ganz allgemein in der Kirche und jene im Herzen des einzelnen und über jene in Sakrament und Wort hinausgeht. Schon der Zusammenhang von Mt 18,20 weist durch den voraufgehenden Vers darauf hin. Um zu empfangen, müssen wir ganz übereinstimmen in einer Sache. Nur wenn wir ganz übereinstimmen miteinander und mit dem Herrn, begegnet dem Blick des Vaters in unserer Mitte in der Tat sein Sohn.
Wir können hierfür spezifische Bedingungen ermitteln, können es sozusagen an einigen Merkmalen beschreiben, wie es zu jenem Einssein im Herrn und mit dem Herrn kommt, das alsdann die feste Zusage der Ge- [35] genwart des Herrn in unserer Mitte gibt. Selbstverständlich sind wir alle arme Sünder und sind es immer wieder. Wohl aber ist von uns verlangt, daß wir uns aus diesem Sündersein immer neu bekehren. Bei aller Liebe und als Ausdruck aller Liebe zum Sünder sagt Jesus stets hinzu: Gehe hin und sündige nicht mehr! Die Begegnung mit Jesus ist ganz und gar Gnade und Barmherzigkeit, aber Gnade und Barmherzigkeit als Anruf und Chance zur Umkehr.
Nun aber zu den genannten Bedingungen. Ein grundsätzliches Ja zum Willen Gottes und zur Nachfolge Jesu steht gewiß am Anfang. Man muß gemeinsam in einer Kommunität davon ausgehen können: Wir wollen miteinander im Willen Gottes leben und wollen Gemeinschaft seiner Nachfolge sein. Wenn wir dies nicht mehr wollen, ist doch die Frage zu stellen, ob wir wahrhaft in seinem Namen versammelt sind.
Darin ist ein zweites eingeschlossen: die Annahme des anderen. Wahrhaft im anderen Jesus sehen, ihn so annehmen wie Jesus ihn angenommen hat, sich bemühen, auf den anderen in Jesu Liebe zuzugehen. Also immer wieder ausräumen was zwischen uns steht, die Gabe am Altar lassen, wenn der Bruder etwas gegen uns hat (vgl. Mt 5,23 f). Auf kaum etwas anderes kommt es Jesus so entschieden an, als daß wir nicht richten und urteilen. Also: einander annehmen, nicht richten, immer neu vergeben.
Eine dritte Bedingung: den Willen Gottes annehmen, den anderen annehmen, das heißt auch: das Kreuz annehmen, den Weg Jesu annehmen, der zu Ostern, zu seinem Leben zwischen uns führt. Also gerade auch das Kreuz annehmen, das es bedeutet, vorbehaltlos zueinander zu stehen und miteinander auszuhalten in einem nicht nur äußerlichen Sinn des Nebeneinander. Wo man so miteinander lebt, da wartet auf den, der einmal ausschert und sich isoliert, eine lebendige Einladung.
Ich denke, daß eine solche Weise zu leben eigentlich die Grundgestalt dessen ist, wie Christen, die entschieden sind, Christen zu sein, miteinander leben sollten. Und wir sollten nicht mit einem müden Lächeln uns zuzwinkern, es sei eben schwierig, wenn die andern schwierig sind, ihnen zu vergeben und sie anzunehmen; es sei schwierig, über den andern nicht zu urteilen (da liegt meistenteils die größte Versuchung). Damit dürfen wir uns nicht abfinden. Ich meine, wir brauchen die Leidenschaft für die gegenseitige Vergebung, für die gegenseitige Annahme, für all das, was in den Abschiedsreden des Johannes im Blick auf Liebe und Einheit gesagt wird.
Wenn wir unsere eigene Spiritualität, das Charisma unseres Ursprungs auf diese Mitte hin leben, dann werden sich diese Spiritualität und dieses Charisma erst entfalten können – und so wird Gemeinschaft gelingen, die auch Jugend anzieht.