Vorspiel zur Theologie
Wirklich: alles ein Spiel
Jedes Interesse ein Spiel. Wer sich für nichts interessiert, kommt gar nicht ins Spiel. Wenn aber sich einer interessiert, dann läßt sich nicht absehen, wieweit er selbst ins Spiel kommt und wieweit er andere und anderes ins Spiel bringt. Letztlich gilt: Das Interesse hat es nicht nur auf ein paar meiner Fähigkeiten, Kräfte und Aktionen abgesehen, sondern auf mich, auf den, der ich bin. Interessiertsein heißt ganz dasein, und umgekehrt bin ich nur da, sofern ich mich engagiere, interessiere. Interesse bringt also das Dasein ins Spiel: mein Dasein und das Dasein des anderen, der mit mir da ist, und des anderen, das mit mir da ist.
[21] Und noch eine Dimension wird durchs Interesse erschlossen. Was mich nicht interessiert, das fällt mir nicht auf. Indem es mich nicht angeht, ist es wie nichts für mich, tritt es nicht ins Licht für mich; es sagt mir nichts, und so rede auch ich nicht von ihm. Das schlechterdings Uninteressante fällt aus meinem Wortschatz heraus. Nur das Interesse bringt etwas ins Spielfeld meines Daseins, und nur, was das Interesse ins Spielfeld meines Daseins bringt, ist ihm offen, im Licht, kommt zur Sprache.
Dasselbe läßt sich in einem zweiten Durchgang gegenlesen. Zum Spiel gehören die drei Momente Interesse, Dasein, Sprache. Nur was sich mir zuspielt, erweckt mein Interesse. Nur wenn ich mitspiele, bleibt mein Interesse und wächst mein Interesse. Ganzes Spiel ist indessen mehr als bloßes Spiel. Das Spiel hat seine innere Dynamik, die mich selbst, mein Dasein begreift, die seinen Einsatz fordert. Spielfeld ist mein Lebensraum, letztlich stehe ich auf dem Spiel und steht alles auf dem Spiel. Und schließlich: sich zuspielen heißt das Gespielte artikulieren, es Gestalt, es Wort werden lassen. Das Spielfeld ist der Zwischenraum derer, die miteinander wahrnehmen und aussprechen, was ist.
Weitere Durchgänge, weiteres Gegenlesen desselben wäre möglich: vom Dasein und von der Sprache her. Spiel, Interesse, Dasein und Sprache enthalten sich gegenseitig. Sie sind die Grundspiele, in denen alles spielt, auch das, was gar kein Spiel zu sein scheint. Der größte Gegensatz zum Spiel ist doch der bloße Mechanismus, der perfekt vorprogrammiert abläuft. Aber tut er das? Ist es im lebendigen Leben nicht gerade überraschend, erstaunlich, wenn alles „klappt“? Und treibt die Perfek-[22]tion des Planbaren und Steuerbaren nicht in merkwürdiger Spannung immer weiter zur je größeren Perfektion? Der Mechanismus läßt sich vom Spiel her, das Spiel aber nicht vom Mechanismus her lesen.
Alles ein Spiel, auch und gerade Interesse, Dasein, Sprache. Sosehr sich von jedem dieser vier Phänomene aus die je anderen verstehen und deuten lassen, sosehr ist es doch verräterisch, daß wir von Grundspielen gesprochen haben. Wie alles geht und zusammenhängt, das ist selbst ein Spiel. Das Wunderbare, Erstaunliche des Ganzen und des Einzelnen wird am ehesten hell, wenn man es als Spiel begreift: ein Geschehen aus vielen Ursprüngen, Einheit, ja Identität, die doch Ereignis ist, das Überraschung wirkt, das vom Geschenk lebt, vom Je-anderen und Je-mehr.
So sollen vom Spiel her die Grundspiele des Daseins bedacht und als Vorspiel verstanden werden zu dem, was der Glaube, wir sagten es schon, als das Spiel aller Spiele weiß.