Erfahrungen mit Wort und Sakrament
Wort als „Sakrament“– Sakrament als „Wort“
So hat dieser Prozeß, der im Menschsein Jesu geschieht, die Seite von Wort und Sakrament, wobei – ich rede hier, mich hintastend, mehr fundamentaltheologisch als dogmatisch – sowohl das Wort als ein zweigestaltiges Sakrament wie das Sakrament als ein zweigestaltiges Wort zu bezeichnen wäre: Worthaftigkeit von Wort und Sakrament, Sakramentalität von Sakrament und Wort.
Was meine ich damit? Nicht nur Jesus Christus sagt als das Wort sich in Worten, sondern gerade das, was nicht Wort ist, gerade Schrei und Verstummen am Kreuz, der Schweiß Christi und das Weinen Christi und das Fleisch Christi und das Leben Christi, jenes, was sozusagen gar nicht nur ins Wort geht, ist „Wort“. Nicht nur das, was bei ihm ins Wort kommt, sondern gerade auch das, was nur im Sterben, im Wirken und Nicht-mehr-Wirken aufgeht, gerade das ist auch Wort. Und umgekehrt geschieht nicht nur dort, wo er sich gibt, wo er sich engagiert, wo er sich einläßt, wo er sich losläßt, wo er sozu- [72] sagen in uns hineingeht, jenes sakramentale Berühren und Mitteilen, sondern auch im Wort sind nicht nur Inhalte gesagt, ist nicht nur etwas gesagt. Nein, dieses Sagen selber, diese Bewegung des Öffnens und Sagens ist Kontakt, Lebensmitteilung. Wort ist auch sakramental und Sakrament ist auch Wort.
Ja, wie steht das überhaupt mit der grundsätzlichen Verankerung von Sakrament und Wort in diesem Grundgeschehen christologischer Art, von dem ich im Rückblick auf Bernhards Wort auszugehen versuchte? Jesus Christus, das Wort Gottes, in dem alles ist, was Gottes ist: dieses Wort zeigt sich uns und teilt sich uns mit, indem es die verengte, je perspektivische, je zufällige Realität eines menschlichen Wortes aus einem menschlichen Erfahrungsbereich herausgreift und an sich zieht. Und darin, in einem menschlich erfahrbaren und einlösbaren Wort, ist uns das unbedingte, je größere, nie faßbare Wort gesagt. Dabei bleibt die Differenz: Alle menschlichen Worte sind zu klein. Ich glaube, daß durchaus auch reformatorisch ein tiefes Verständnis dafür da ist, was im IV. Laterankonzil als Dogma formuliert ist: Jede Aussage über Gott inklusive der in der Heiligen Schrift selber sagt mehr aus, wie Gott nicht ist, als wie Gott ist; immer bleibt der Unterschied, weil eben alles Wort zu klein ist. Und trotzdem ist dieses zu kleine Wort nicht verfügbar, sondern es ist ein von Jesus Christus ergriffenes, ein von innen her angeeignetes Wort; und das sagt gerade etwas über diesen Gott: daß er sich selber sagt und gibt in einem Wort, das für ihn zu klein ist. Gerade das ist Aussage von ihm her.
Und genauso ist es doch mit dem Sakrament. Da sind Zeichen, die genausogut anders sein könnten. Da sind aus gewissen Kontexten herausgelöste, ganz bestimmte Dinge – warum muß es Wasser sein, warum muß es diese Formel sein, warum jene, warum muß es Brot und Wein sein? Da sind kleine geschichtliche, verengte, aus dem Erfahrungshorizont, aus den Kontexten der Religionsgeschichte herausgewachsene Zeichen, die auch etwas ganz anderes bedeuten. Und sie sind in Anspruch genommen, um in dieser Unterbietung das je Größere zu schenken und mitzuteilen. So können wir im Wort und Sakrament teilhaben an jenem göttlichen Prozeß der Selbstüberbietung Gottes, der die Liebe ist, wobei diese Selbstüberbietung, die die Liebe ist, eben in der existentiellen Selbstunterbietung besteht in das endliche Wort und in das endliche Zeichen hinein.