Oikonomia

Zeitcharakter von Architektur und Theologie*

Wir stoßen bei dieser Betrachtung auf einen bislang uns entgangen Grundzug, der die Zusammengehörigkeit von Theologie und Architektur in der οἰκονομία noch von einer anderen – aber ist es eine andere? – Seite erhellt. Wir konnten weder vom Aachener Dom noch von St. Fronleichnam sprechen, ohne von geschichtlichen Zusammenhängen zu sprechen. Ohne daß Geschichte stattfände, ohne Bleiben im Weitergehen und Weitergehen im Bleiben käme es weder zur Architektur noch zur Theologie. In der Architektur ist Leben in der Zeit verfaßt, in der Theologie zeitigt sich das ein für allemal gesagt Wort in jene Geschichte hinein, in welcher die Kirche den Glauben dort Gestalt werden lassen muß. Dieser Zeitcharakter aber ist kein äußerer Zusatz zur Theologie und Architektur. In der Theologie ist leitend jene οἰκονομία selbst, in welcher Gott sein Geheimnis aus der inneren Dynamik dessen, was es ist – Liebe –, her in die Zeit ankommen, sie ordnen und durchdringen läßt. Theologie ist sich verfassende οἰκονομία. Dies ist aber auch Archi- [310] tektur. Sie ist die Not und Größe, die Sorge und Zuversicht des Menschen, sich selbst auf dieser Erde einrichten, sie als die seine auf Zukunft hin gestalten zu können. Daß der Mensch baut, ist ein Verhältnis zur Zeit, ist eine gestaltwerdende Hoffnung, in welcher er zugleich ein elementares Bedürfnis erfüllt. In ihrer Gestalthaftigkeit und Funktionalität bildet sie den Menschen und seine Hoffnung ab. Sie ist, als sich verfassende οἰκονομία, sich verfassende Geschichte und umgekehrt. Geschichte ist der eine Raum in welchem Theologie und Architektur wachsen und zusammengehören.

Wer könnte tiefer von diesem Zusammengehören von Theologie, Architektur und Geschichte geprägt sein als der, den diese knappen und nur skizzenhaften Überlegungen ehren wollen?