Gerettetes Wort – rettendes Wort

Zerfall und Nivellierung der Sprache*

Parallel damit geht eine andere Entwicklung: Zerfall in vielerlei geschlossene Sprachwelten und Nivellierung in eine bloß funktionale Einheitssprache. Die Linie der methodischen Perfektion in der Aufarbeitung [356] aller Sach- und Lebensbereiche führt in diesen Sach- und Lebensbereichen zu intensiver Zusammenarbeit, die ihrerseits zu so viel Informations- und Kommunikationsmaterial führt, daß nur eine „Abkürzung“, „Verschlüsselung“ dieses Materials für Eingeweihte überhaupt noch das Mithalten auf dem jeweiligen Feld möglich werden läßt. Dadurch bilden alle diese unterschiedlichen Sach- und Lebensbereiche wissenschaftlich, aber zunehmend auch praktisch jeweilige Sondersprachen aus, die gegeneinander schier verschlossen sind. Die hohe Bedeutung der isolierten Kommunikationswelten, an denen jeder (?) auf irgendeine Weise beteiligt ist, verringert indessen der über diese Bereiche hinausgehenden, „allgemeinen“ Kommunikation die Chance der Differenzierung. Die allen gemeinsame Sprache verschleift sich immer mehr, reduziert sich auf das pragmatisch Notwendige und funktional Nützliche. Von der Grammatik bis hin zur Zahl der für den personalen Bereich zur Verfügung stehenden Worte läßt sich eine tiefgreifende Reduktion der Ausdrucksmöglichkeiten beobachten. Deutungen des Lebenssinnes, die sich nicht sofort in diese Sprache einbringen lassen, gelten als ideologisch, werden abgetan.

Eine Beifolge: Das Fragezeichen hinter der Behauptung, daß jeder in einer differenzierten Kommunikationswelt seines „Faches“, seines spezifischen Lebensbereiches innestehe, will darauf hinweisen, daß bei der immer weiterschreitenden Verfeinerung der Sonderwelten in Wissenschaft, Technik, Verkehr die Zahl derer heimlich wächst, die da nicht mehr „mitkommen“. Ihnen steht aber außer ihrem sachlich geringen Anteil an der Möglichkeit, Welt und Leben zu gestalten, zugleich ein immer ärmeres Vokabular des Humanum zur Verfügung, was sie in vielfacher Beziehung immer weiter an den Rand drängt. Nivellierung der Sprache ist nicht „sozial“, sondern fördert nur die zu Recht beklagte Marginalisierung vieler.