Geistlich heißt weltlich

Zugang: Jeder sagt sein Wort

Wir reden unendlich viel – und sind zugleich sprachlos. Und doch sagt jeder, sagt jeder in jedem Augenblick ein Wort. Schauen wir in die Gesichter, denen wir alltäglich begegnen. Auch wenn sie leere, hohle, verschlossene Gesichter sind, wenn sie nichtssagend erscheinen, so sagt dieses Nichts-sagen uns etwas; es sagt uns, es sei mit allem nichts, es habe alles doch keinen Sinn. Gleichviel was ich im einzelnen rede und tue, einfach indem ich da bin, gebe ich Zeugnis davon, wie ich das Leben sehe, wie ich die Welt deute – und selbst wenn ich nichts davon weiß, wenn ich nicht darüber nachdenke, so spiegele ich ein Wort, das man mir eben suggeriert hat, ein Wort, das aus der Atmosphäre, die mich umgibt, in mich eingeht und mich bestimmt.

Kritisches Bewußtsein fängt damit an, daß wir uns Rechenschaft geben darüber, welches Wort denn unser Tun und Lassen, unsere Haltung, [315] unsere Meinung, unsere Weise, mit den Menschen und den Dingen umzugehen, wiedergibt.

Alle Worte – auch die verzerrten, verstellten, in Silben zerstückelten – meinen freilich ein Wort, und als die wahre Tiefe, der wahre Sinn wohnt in allen und in allem, in Menschen, Ereignissen, Dingen ein je eigenes und doch geschenktes, gemeinsames Wort. Dieses Wort freizulegen, auf dieses Wort hin die oberflächlich gesprochenen Worte auszulegen, sie für es zu öffnen, dies erst ist der wahre Sinn und das wahre Recht alles kritischen Scheidens und Analysierens.

Die vielen Worte hören, sie scheiden und unterscheiden, durch sie hindurchstoßen auf jenes Wort, das in den vielen Worten gemeint ist: dies hat eine Voraussetzung, und sie heißt, daß wir uns für dieses eine Wort entscheiden. Entscheide dich für das einzige Wort, das es zu sagen lohnt, für das einzige Wort, das deine, der anderen und der Welt Wahrheit ist – und sage mit deinem Leben und Tun jenes Wort, für das du dich entschieden hast! Dies ist die Grundentscheidung des Christen, durch die er seinen Glauben welthaft wirklich und wirksam werden läßt.