Die Spiritualität des Fokolar und die Theologie

Zur 2. These*

Zur 2. These: Christentum ist geistlicher Weg von Anbeginn. Seine Botschaft ist nicht Ergebnis einer Konstruktion oder einer Analyse, sondern es ist begründet und gestiftet und vollzieht sich in einem Weg aus dem Heiligen Geist: aus dem Weg der Menschwerdung und des Pascha, aus dem Weg des Sohnes vom Vater im Geist und zum Vater im Geist und unseres Weges im Geist miteinander und zueinander. Und dieser Weg gründet zutiefst in jenem innergöttlichen „Weg“ der processiones, wenn wir ihn so nennen dürfen. Ja, das ist das Unerhörte und Neue am christlichen Gottesbild: Gottes Inwendigstes und Eigenstes, daß Gott der dreipersönlich Eine ist, dies ist nicht ein synthetischer Satz (will sagen: ein Satz, der etwas zum Gottsein Gottes Zusätzliches sagte) noch auch ein analytischer Satz a priori (also ein Satz, der bei genauem Nachdenken aus dem Gottsein herauszurechnen wäre), sondern – um diese Sprachform zu wagen – ein analytischer Satz a posteriori (die Dreipersönlichkeit gehört wesenhaft und ursprünglich zu Gottes Gottsein hinzu, aber so, daß dies die unerrechenbare Überraschung, die Neuigkeit in sich darstellt).

Dieser spekulativ entlegene Gedanke hat indessen etwas Entscheidendes mit dem Gegensatz des Christentums zur Ideologie zu tun. Weil Christentum in einer freien Tat der Liebe gründet und weil diese Liebe selbst in ihrem Ursprung zwar Gott selber ist, aber nicht ein errechenbarer Gedanke, kann Christentum nicht neutral konstruiert werden wie irgendein System von einem systematischen Ansatz her, sondern nur in der Weggemeinschaft, im lebendigen, freien Mitgehen vollzogen werden, in einem beständig offenen Hören auf die je größere Liebe, die Gott wesenhaft ist und die Gott frei schenkt. Und gerade so wird Christentum einerseits universal, endgültig, stringent – und doch je offen und neu für die Überraschungen der Geschichte und die Begegnungen mit dem, was ist.