Wahrheit und Liebe – ein perichoretisches Verhältnis

Zwischenbemerkung: Philosophie in der Theologie, Theologie in der Philosophie

Es geht hier beileibe nicht an, das lohnende Thema der gegenseitigen Umfassung, also des perichoretischen Zueinanders von Theologie und Philosophie grundsätzlich zu behandeln. Dass dies aus der ehrwürdigen anselmischen Bestimmung der fides quaerens intellectum her möglich wäre, liegt auf der Hand. Nötig aber ist hier ein einziger auf dieses Feld führender Hinweis.

Wir haben eine philosophische Betrachtung über die Perichorese von Wahrheit und Liebe angestellt. Dabei sind uns jedoch immer wieder theologische Hinweise unterlaufen. Und wir gehen recht mit dem Verdacht, dass auch die Phänomenanalysen philosophischer Art geleitet waren von theologischen Erfahrungen und Interessen. Dennoch ist in der Tat das Ausgeführte am Phänomen selbst gewonnen, in der Unmittelbarkeit der Hinsicht des Denkens auf das Phänomen.

Wenn der offenbarende Gott in seiner Liebe uns hinführt zu der Wirklichkeit, [115] die er geschaffen hat, so lehrt er uns dadurch, sie sowohl von ihm her wie von sich selber her zu sehen. Das macht es möglich, dass auch ein Denkender, der nicht vom Glauben herkommt, Phänomene zu sehen lernt, wie sie durch das Licht der Offenbarung angeleuchtet werden, aber durchaus auch von sich selber her zu sehen sind.

Zwischen der „natürlichen“ Erkenntnis einer solchen Phänomenologie und der übernatürlichen Glaubenserkenntnis, die sich in der Theologie entfaltet und auf ihren Begriff bringt, waltet von unten, von der natürlichen Erkenntnis her, ein diskontinuierlicher, von oben, von der Glaubenserkenntnis her ein kontinuierlicher Übergang. Als Denkender glaubend kann ich vom Glauben her mein Denken als solches und in sich selbst artikulieren und es im Blick auf allgemein zugängliche Phänomene direkt mitteilen und erschliessen – vom Denken her, das in sich selber steht, kann ich keinen kontinuierlichen Übergang zum Glauben und zur Glaubenserkenntnis gewinnen, wenn auch das vom Glauben erhellte Phänomen im Denken Wegmarke zum Glauben hin zu sein vermag.

Diese Bemerkung erschien fällig, weil andernfalls der folgende knappe theologische Ausblick wie ein „Resultat“ der angestellten phänomenologischen Überlegungen erscheinen könnte. Der Sachverhalt ist indessen umgekehrt: Die unableitbare und durch Gottes geschichtliches Handeln eröffnete Glaubenserkenntnis, dass die letzte und ganze Wahrheit Gottes und der Welt die Liebe ist, dass so aber nur Liebe der Wahrheit entspricht und die Wahrheit in ihrer Tiefe erkennt, ist die Grundlage des gesamten Gedankengangs in diesem Beitrag. Dies vorausgesetzt und den Begriff von Wahrheit und den Begriff von Liebe ins theologische Verständnis transponierend, können wir die philosophischen Beobachtungen, die uns zufielen, in den Kontext der Theologie eintragen, der im folgenden angeleuchtet werden soll.